Hakomi-Methode

Der Körperpsychotherapeut Ron Kurtz war in den 1970er Jahren der erste, der den in Abgrenzung zu “awareness” genauer definierten Begriff der “Achtsamkeit” aus der buddhistischen Tradition verwendete und systematisch in seine Behandlungsmethode (Hakomi) einbaute.

In der Hakomi-Metode ist es die zentrale Aufgabe der TherapeutInnen, bei den KlientInnen die Fähigkeit zur Achtsamkeit aufzubauen und die Instanz des “Inneren Beobachters” zu entwickeln.

Im Zustand dieses inneren Beobachtens können die KlientInnen – während sie durch ein für sie typisches Erleben gehen – aus einer gewissen Distanz sehr genau Prozesse der körperlichen und psychischen Selbstorganisation betrachten. Es entsteht ein “duales” Bewusstsein, bei dem der Mensch bewusst erlebt und dabei gleichzeitig ein neutraler innerer Beobachter vorhanden ist. Man kann Hakomi als “Assistierte Selbsterforschung in Achtsamkeit” beschreiben.

Somit ist die Hakomi-Methode

1. Achtsamkeitszentriert: Im Zentrum der Methode steht die Selbsterforschung durch Achtsamkeit. Der Klient lernt, sein Erleben, seine Muster der Selbstorganisation aus der Position des „Inneren Beobachters” wohlwollend zu beobachten.

Daraus ergibt sich das zentrale Wirkprinzip: die Disidentifikation. Ähnlich wie in der achtsamkeitsbasierten kognitiven Verhaltenstherapie der Depression (MBCT) kann man sich gegenüber den eigenen Gedanken distanzieren, „muss nicht alles glauben, was man denkt“.

2. Erfahrungsorientiert: Das Vorgehen ist auf die Erfahrung im gegenwärtigen Moment gerichtet. Die gegenwärtige Erfahrung wird zum Ausgangspunkt der Erforschung der biographischen Genese von Mustern der Selbstorganisation. So kann etwa verstehbar werden, welche für die natürliche Entwicklung notwendigen Erfahrungen gefehlt haben oder wie einschränkende „Glaubenssätze“ entstanden sind.

Bei Veränderungsprozessen setzt das zweite Wirkprinzip, das der „korrigierenden Erfahrung“ ein, indem innerhalb der Therapie gleichsam maßgeschneidert wiederholt neue Erfahrungen ermöglicht werden. Lernprozesse in die gleiche Richtung werden auch außerhalb der Therapie angeregt.

Diese neuen, korrigierenden oder ergänzenden Erfahrungen ermöglichen auch die „Reformulation“ von „Glaubenssätzen“.

3. Explorativ-forschend-aufdeckend: Mit Hilfe von kleinen Experimenten in Achtsamkeit unterstützt der Therapeut den Klienten in der Erforschung seines Themas. Diese erfolgt – der Haltung der Achtsamkeit entsprechend – prozessorientiert und ergebnisoffen, primär nicht lösungsorientiert.

4. Systemisch: Die Struktur der leib-seelischen Selbstorganisation wird systemisch verstanden, als „sensitive Ökologie“ von Teilpersönlichkeiten oder individuellen Aktivierungszuständen. Aus dieser Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen („Teilearbeit“) ergibt sich ein weiteres Wirkprinzip: die „Depolarisierung“. Man kann dies als den konfliktbearbeitenden Teil der Hakomi-Methode sehen. Dabei werden widersprüchliche und sich dadurch polarisierende Bedürfnisse, Wünsche, Ängste und Impulse der verschiedenen Teile bewusst gemacht und bearbeitet.

5. Beziehungsbasiert: Der wohl bedeutendste allgemeine Wirkfaktor in der Psychotherapie – die therapeutische Beziehung – wird in der Hakomi-Methode in besonderer Weise bewusst genutzt. Das Beziehungs-Angebot wird als „loving presence“ beschrieben. Es ermöglicht ein sicheres Klima, das zur Erforschung ängstigender und abgelehnter Persönlichkeitsanteile notwendig ist und das Erleben von Akzeptanz als korrigierende Erfahrung und als Modell für Selbstakzeptanz vermittelt.

6. Körperbezogen: In der Erlebnisaktivierung und in der Vermittlung korrigierender Erfahrungen wird speziell der Körper genutzt und mit einbezogen. Dieser wird als Zugangsweg zu Inhalten des impliziten Gedächtnisses genutzt, indem etwa kleine Bewegungen oder Impulse, Veränderungen der Körperhaltung oder Gefühle und Empfindungen bewusst gemacht und mittels experimentellem Vorgehen erforscht werden.

Anwendung: Im Rahmen einer großen Wirksamkeitsstudie körperpsychotherapeutischer Verfahren (Koemeda-Lutz et al 2006) wurde auch die Hakomi-Methode in ihrer Wirkung erforscht. Diese konnte nachgewiesen werden bei

  1. affektiven Störungen, wie etwa leichten (neurotischen) Depressionen
  2. Angststörungen
  3. Anpassungsstörungen
  4. leichten Persönlichkeitsstörungen
  5. interpersonellen Störungen.

Aufgrund der Vielfalt der in der Hakomi-Methode zur Verfügung stehenden Vorgehensweisen kann sie durch das spezielle Beziehungsangebot stützend und strukturbildend wirken, kann andererseits auch fokussiert aufdeckend eingesetzt werden.

Interview mit Ron Kurtz auf psychotherapy.net



Literatur zur Hakomi-Methode

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